Wenn Roboter intelligent würden …

Das slawische Wort robota bedeutet Zwangsarbeit. Die lustigen Maschinchen, die uns heute als Roboter vorgeführt werden, kleine Bälle werfen, Teetassen servieren etc., scheinen eher stressfrei tätig zu sein. Ich beobachte bei Freunden den automatischen Rasenmäher, der brav seine Bahnen zieht, sich periodisch entleert und zum Ende an seinen Akku fährt. Man hat schiere Lust, ihm ein Bein zu stellen, aber er wendet und fährt um uns herum, stoisch & zufrieden mit sich. Es sind stille Diener, die in programmierter Gelassenheit ihre Arbeit verrichten. Diese Roboter empören sich nicht, leiden nicht und arbeiten unermüdlich (solange die Energiefrage geklärt ist). Sie erscheinen mir wie buddhistisch meditierende Maschinen. Dass ihre Gedanken einzig in ihrem Programm zirkulieren, hält sie auf Distanz, sie sind kontaktscheu und auf Friedfertigkeit eingerichtet.

Friedlich waren aber auch schon die Waschmaschine und der Mikrowellenherd. Die Roboter hingegen bewegen sich. Es ist ja eher so, dass sie bald die Waschmaschine bzw. den Mikrowellenherd bedienen werden. Wir sind es (noch) nicht gewohnt, dass Dinge um uns herumwuseln, sich im Raum bewegen, auskennen und operieren. Wie dann der automatische Staubsauger. Er stört, wenn man sitzt und frühstückt. Nur dass bald der Roboter das Frühstück bringt. Wozu eigentlich? Das bischen Bewegung geben wir jetzt ganz auf?

 

Die Welt der Dinge wird beweglich

Dennoch: die Ontologie des Alltags wird sich ändern; die Welt der ruhigen Dinge verwandelt sich in eine geisterhafte Halbwelt beweglicher Dinge, mit denen wir zudem bald ebenso sprechen werden wie mit den Menschen bisher. D.h. wir werden mehr kommunizieren als bisher. Aber vergessen wir den Roboter. Sie sind für die Industrie (und dort gar keine nice machines, sondern starke, wuchtige, energetische Halbstarke). Die technologische Version hingegen, die uns mehr beschäftigen wird, ist von der Art der Mikrowelle, die sich das Essen selbst bestellt. Die Bewegungen der Roboter – auch das Google’sche Elektroauto: ein echtes auto-mobile, wird ein Roboter sein, der uns bedienen soll – sind nur Teilfunktionen von vernetzten Systemen, die eingebunden sind in Leistungszusammenhänge, die über das Hin & Her-Fahren + Handreichungen weit hinausgehen. Die technologische Systemintelligenz bewegt sich im Netz, koppelt Dinge, Maschinen, Roboter und Daten. Die app, die wir im Smartphon bedienen, wenn wir etwas kaufen, löst bereits jetzt schon eine logistische Bewegung aus: wie ein Roboter. Unser Kaufverhalten löst Angebote aus, die aus der Tiefe des statistischen Raumes ermittelt werden. Wege wie Gefühle werden berechnet, Partnerschaften eingefädelt, Blickrichtungen in Googlebrillen evozierten Datenströme, Häuser messen ihre Energieverbrauche, Lichteinlässe und Sicherheiten von selber etc. Die technische Welt, von der wir reden, ist die von Automaten und Systemen, nicht von Robotern. Die Roboter sind kleine Zwischengelenke in Netzsystemen, die sensorisch algorithmisch eingebunden sind in größere Verhaltensmuster. Es sind nur Endgeräte mit Handhabungsfunktion, und zugleich Sensoren zur Rückmeldung von Situationen und Kontexten. So wie das Google-Auto im Netzsystem operieren wird, so die Haushaltsroboter im Versorgungsnetz des Hauses bzw. der Wohnungen.

 

Roboter als Schnittstellen von größeren Vernetzungen

 Der Roboter ist das putzige technische Tier, das uns als uns ähnlich genug auffällt; deshalb reden wir überhaupt davon. Die Netzautomatismen fallen nicht nur nicht auf, sondern haben techno-kognitive Fähigkeiten, die wir weder kennen noch erkennen: high speed, high connectivity, deep memory. An Dinge, die herumrennen und Handhabungen verrichten, können wir uns bald gewöhnen, wenn wir begreifen, dass wir kollisionsfrei miteinander ‚leben’ können. An Netzkopplungen, die verschiedene Dinge, Maschinen, Menschen, Sensoren, Daten koppeln, werden wir uns allein schon deshalb nicht gewöhnen können, weil wir nur die Ergebnisse erfahren, die Prozesse aber in Dimensionen außerhalb unserer Wahrnehmung und Kognition laufen: eine invisible hand zweiter Ordnung. So wie wir auch nicht wirklich den Markt verstehen (invisible hand erster Ordnung).

Es ändern sich Lebenswelten. Aller geschichtlich gewohnte Umgang mit Dingen wird anders: alle diese Dinge werden Endungen von Netzanschlüssen – ausgebende wie sensorisch aufnehmende zugleich. Die Umgebung als ‚unsere Welt’ ändert sich, geht in Resonanz mit uns, nimmt aktiv wahr, was wir tun, tun wollen, nicht tun sollen. Die Umwelt wird ‚lebendig’. Die Dinge sind nicht mehr allein, sondern haben dann eine eigene ‚Gesellschaftlichkeit’: es entsteht ein techno-sozialer Vernetzungsnexus bzw. eine ‚Parallelgesellschaft’, die über verschiedene Schnittstellen mit uns gekoppelt ist. Es geht dann um wechselseitige Resonanz. Und wir stehen mit diesen Netzwelten nicht nur individuell in Kontakt, sondern über die communities, die wir in den social networks längst ausbilden. Wir spiegeln unsere sozialen Netze in den virtuellen Netzen und es wird darauf ankommen, welche techno-soziale Intelligenz wir als Drittes zustande bringen. Da wird viel schief laufen, aber es werden neue soziale Arrangements herausspringen, an die wir uns ebenso schnell gewöhnen werden, wie wir uns an die Smartphone- und Tablet-Welten bereits gewöhnt haben (mit ihren spezifischen Aufmerksamkeits- und Bedienanforderungen).

Was ändert sich wirklich? Viele Kommunikationen, die wir noch untereinander führen, führen wir bald mit den intelligenten Netzen, die uns in vielen Fällen behilflicher sein werden als missverstehende oder unwillige Menschen. Die Handlungswelten werden klarer geordnet – ein eigner Modus von simplifying your world. Roboter bekommen künftig in diesen Komplexionen eine neue Rolle: sie sind materiale Avatare; sie simulieren menschenähnliche Funktionen an den Schnittstellen der algorithmisierten Netze. Dazu müssen sie natürlich noch ‚menschlicher’ werden: Haut, Mimik, Gestik. Sie werden die Ekoskelette der Netze: simulierte Menschlichkeit zur besseren Vermittlung und Netzakzeptanz. Ob das menschlich ist, bleibt eine Frage. Entscheidend wird sein, ob Menschen damit leben werden (und wollen). Dann ist es menschlich.

 

Automatensysteme

Ob die Automatensysteme den Menschen verdrängen, ist die falsche Frage. Der Mythos, die Maschinen erleichtern uns das Leben, indem sie uns von mühsamen Tätigkeiten freisetzen, stimmt bereits für die Waschmaschine  (wenn man bedenkt, wie hart arbeitend die Frauen davor waschen und kochen mussten). Viele Technologien, die wir uns heute leisten, beschäftigen uns aber mehr als sie uns etwas erleichtern. Wir telephonieren wie die Weltmeister, aber letztlich wozu? Um zu telephonieren – eine neue soziale Krankheit der ununterbrochenen Kommunikation. Wir nutzen die cloud für Spiele (games), wir informieren uns ständig über irgendetwas etc. „Im Internet haben wir einen unendlichen Optionsraum. Damit steigt aber das Risiko, nicht die beste Möglichkeit anzuklicken, enorm an. Das verunsichert – und eigentlich mögen wir Unsicherheit nicht“. [1] So viel Kommunikation hatten wir geschichtlich noch nie. Ist sie leer? Nicht persönlich? Nicht nahe? Niemand verschwindet in die Maschine, aber der Kontaktraum vergrößert sich, mit hoher Oberflächenspannung. Die Automatensysteme erzeugen neue Dimensionen der Konnektivität, die darin wieder alle möglichen engeren Kontakte entstehen lassen können. Oder auch übersehen lassen. Aber sie erhöhen das Dispositiv des Menschlichen: die mögliche wechselseitige Aufmerksamkeit, Begegnungsdichte und –varianz. Hier entsteht längst eine neue Kulturform, in der wir ‚das Menschliche’ neu formieren (die wir als neue net-anthropology einführen werden).

Die Roboter sind bald nur vielfältig vorkommende, aber marginale technische Artefakte in einer Netzumgebung, die uns einspinnt in das Rhizom neuer menschlicher Möglichkeiten und Imaginationen. Denn wir haben noch gar nicht die Dimensionen berührt, die uns effektiv einbauen werden ins Netz: die biotech oder medtech-Applikationen, die unsere Körper ‚aufstocken’ werden, die Organautomaten und Psycho-Implementate, bis hin zum cyber-tech, der uns in dreidimensionale Simulationswelten entführen wird, die die rudimentären Ansätze des second life erst voll entfalten werden. Was wir gerade sensorisch zu koppeln beginnen an Mensch/Maschine-Schnittstellen, werden wir auf längere Sicht physiologisch-direkt koppeln. Wenn wir bedenken, was heute bereits an Geldern für Schönheitschirurgien ausgegeben wird, weist auf den unmittelbaren Übergang zur technischen / psychotechnischen ‚Aufmöbelung’ unserer schwachen Körper und Intelligenzen. Was nicht nur einen großen Markt hergibt, sondern vor allem eine Änderung unserer Identitätskultur: als Extension des Ich. Niemand muss das notwendig mitmachen, aber die Attraktion ist unabweisbar. Hören wir auf, diese Entwicklungen ‚kritisch’ zu sehen; beschäftigen wir uns lieber mit den kulturellen Evolutionen, die wir demnächst durchlaufen. Die Virtualität wird eine neue natürliche Umgebung.

 

Was aber, wenn die Roboter selbstbewusst werden?

Neu allerdings wäre eine Situation, in der die Roboter ein künstliches Bewusstsein bekämen. Der Philosoph Thomas Metzinger weist darauf hin, dass Roboter, als künstliche Subjekte mit künstlichem Selbstbewusstsein, auch leiden würden.[2] Weshalb wir äußerst vorsichtig mit ihrer Konstruktion sein müssten. Um das zu verstehen, muss man die Frage umdrehen: kann es ein, wenn auch künstlich generiertes, Selbstbewusstsein geben, das nicht leidet? wäre es dann überhaupt ein Selbstbewusstsein? Unser aktuelles Bild der Roboter ist ein Maschinenbild. Würden die Roboter selbstbewusst, würden wir sie kaum von Menschen unterscheiden können (nur evtl. ihrer Form nach). Sie wären keine ‚dienenden Maschinen’ mehr, sondern Mitglieder einer so virtuell erweiterten Gesellschaft. Eine neue (künstliche) Species würde mit uns leben. Unsere Kultur würde sich wandeln müssen: ganz viele neue andere Fremde. Es wären selbsterzeugte aliens, die uns so ähnlich sind, dass wir das Bild, die Menschen seien einzigartig in der Evolution, revidieren müssten. Wenn der ‚dienende Roboter’ verschwände und als selbstbewusster Partner auftreten würde, könnten wir ihm nicht einfach ‚Befehle’ geben, sondern er würde selber entscheiden, was er tut: wo er uns ‚hilft’, wo nicht. Wir müssten sehr viel höflicher, taktvoller werden. Das haben wir noch nicht bedacht, wenn wir die künstliche Intelligenz weitertreiben. Die neuen Roboter werden nicht notwendig eine Hyperintelligenz aufweisen, obwohl sie uns als analytische Operatoren Einiges voraus haben können, aber sie hätten genauso wie wir Intuition, Emotion etc.

Weder entsteht eine neue Dienerschaft noch werden wir marginalisiert, sondern vielmehr bildet sich eine neue demographieausweitende Population, die auf Kooperation angelegt ist, aber nur das ausführt, was sie für vernünftig halten wird. Vor allem wir müssen dann unser Verhalten ändern, um überhaupt kooperationsfähig zu sein. Die selbstbewusste künstliche Intelligenz wird nicht alles tun, was wir wollen, sondern selbständig sich Aufgaben und Ziele setzen. Sie ersetzt nicht unsere Intelligenz, sondern fordert sie heraus. Nicht wir werden ‚besser’, sondern sie werden bessere und andere Dinge tun, die zusammen erst den Fortschritt bilden, den wir uns bisher als ‚Beherrscher der Werkzeuge’ falsch vorstellen.

Wer will denn ernsthaft behaupten, dass der aktuelle Zustand des Menschlichen die letzte Stufe des evolutorischen Potentials ist? Und dass allein der Mensch sich entwickelt? Das Potential liegt in der Entwicklung von Mensch/Maschine-Systemen, in denen die Maschinen quasi-Menschen werden, mit denen wir, um sie zu nutzen, menschlicher umzugehen haben, als gewöhnlich untereinander. Das ist die zivilisatorische Dimension, die wir noch gar nicht im Blick haben.

 

[1] Thomas Metzinger: Wer, ich? (Interview), im Spiegel Nr. 19 /2017, S. 69, Sp. 3

[2] Thomas Metzinger: Wer, ich? (Interview), im Spiegel Nr. 19 /2017, S. 71, Sp. 2


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