VW und kein Ende …. Statt Ethik Strafanzeigen

Niemand kann es noch hören: der VW-Skandal. Er quält sich durch die Medien. Jede Woche kommen neue Details, die nichts klären. Natürlich will man bei VW warten, bis sich die Sache totgelaufen hat. Letztlich wäre der Abgas-Betrug ein „technisches Problem“, wie man sich das im Ingenieurs-Konzern zurechtlegt. Immerhin gibt die Automotorelite damit zu, den Dieselmotor letztlich technisch nicht bewältigt zu haben.[1] Ungeheuerlicher ist der legere Umgang mit dem ökologischen Thema, das mit dem Thema „green Diesel“ ja eine optimale Lösung anbieten wollte. VW – aber auch die anderen Automobilfirmen, die denselben Betrug inszeniert haben, wie sich nach und nach herausstellt – nehmen das Klimathema nicht ernst. Sie sind keine verantwortungsvollen Player; die Politik im Nachgang der Pariser-Klimakonferenz kann mit diesen Konzernen nicht ernsthaft rechnen. Jedenfalls nicht in der bisher ersichtlichen Kommunikation. Nicht nur der Motor hat versagt, sondern die Geschäftsstrategie. Es scheint so, als ob Kunden und Politik den Konzernen gleichgültig sind.

VW Konsumentenbetrug

Man kauft ein ökologisch optimiertes Produkt und bekommt das Gegenteil, das einen mehrfach höheren, d.h. einen maximierten Ausstoß erzeugt. Nachdem der Betrug zugestanden werden musste, weiß niemand, wann der Rückruf erfolgte und was dabei ausgewechselt wird (bessere? schlechtere Technologien?). Man weiß allerdings eindeutig, dass der Wiederverkaufswert sinkt.

Dass die Marke VW beschädigt ist und das nächste Auto woanders gekauft wird, entschädigt nicht die betrogenen Besitzer. Hier beginnen andere Verhalten: Viele beteiligen sich an den Sammelklagen, die gegen den Konzern vorbereitet werden. Wenn jetzt auch der Norwegische Staatsfonds – viertgrößter Aktienteilhaber bei VW – eine Strafanzeige vorbereitet, weil der Vorstand davon gewusst haben müsse, dass seine Ingenieure Betrug betreiben, ist das ein Zeichen für einen Umbruch in der Marktgesellschaft.

Konsumentenreaktionen

Das Staatsfondargument beruft sich auf besondere Verantwortlichkeiten der Führung, die sich nicht herausreden könne, sie sei nicht informiert. In einer neuen Marktstrategie, die in den USA wie in Deutschland den „ökologischen Diesel“ hochfahren wollte, kann es nicht wahr sein, dass der Vorstand über dieses Kerngeschäft weder Information noch Kontrolle gehabt hätte. Entweder lügt der Vorstand, oder aber es gab ein gravierendes Führungsversagen. In beiden Fällen sei die Führung zur Verantwortung zu ziehen. Der Bericht der ermittelnden Kanzlei Jones Day wird zur Hauptversammlung noch nicht vorliegen. Dass dennoch alle Vorstände entlastet werden sollen, erscheint als Vorgriff auf ein Ergebnis, das doch noch ganz anders ausfallen könnte. Das Vertrauen in diesen Vorstand sinkt, zumal er sich noch Boni ausschüttet für 2015, dem Jahr des geoffenbarten Leistungsversagens. Weil man noch nicht weiß, wie die Vorstände verwickelt waren, fordert der renommierte Jurist Marcus Lutter in der FAZ, “dass der VW-Konzern eine Klage gegen seine Manager vorbereiten soll, die bereits vor Bekanntwerden der Manipulationen im Amt waren. Die Gehälter dieser Vorstände solle der Konzern bis auf einen Betrag von zum Beispiel 6000 Euro einbehalten, um schon einmal Reserven für mögliche Schadenersatzzahlungen anzulegen“.

Gerichtsverfahren als die wirksamere Form der Ethik

Doch letzthin erwartet niemand ein solches – angemessenes – Handeln des Aufsichtsrates. Niemand erwartet auch, dass der große Protest in den Medien angesichts der Boni-Auszahlungen für miserables Krisenmanagement Wirkung zeigt. Man reagiert sich moralisch ab und lässt es ausklingen in den nachlassenden Nachrichtenwerten, bis VW aus dem Aufmerksamkeitsfokus verschwunden sein wird. Das moralische Meinen ist so aufregend bis wirkungsfern. Neu aber ist die Tatsache, dass die juridischen Nachspiele bei Marktversagen – nicht nur bei VW, sondern schon seit längerem bei den Banken praktiziert – zum gesellschaftlichen Ersatz der nicht fruchtenden Unternehmens- und Wirtschaftsethik werden. Aber die Androhungen, Produktversagen mit Straf- und Zivilprozessen zu verfolgen, scheint für die betrogenen Konsumenten der reelle Hebel zu sein. Zudem sorgen die dafür erforderlichen Rückstellungen und die dann gegebenenfalls tatsächlich zu zahlenden Strafen dafür, das zukünftige Geschäftsgebaren dreimal zu überlegen.

Es ist eine bemerkenswerte Tendenz: nicht der Markt ordnet Fehlverhalten, sondern die juridische Konsumentennachfrage, die auf Entschädigung hinausläuft. Man will schlicht, dass Verträge und ihre Versprechungen eingehalten werden. Dass auch die Nachfrage sinkt – im Kerngeschäft der Marke VW bereits eingetreten, neben dem Absinken des Aktienkurses -, ist eher die normale Antwort des Marktes, der ja nicht nur den Skandal bewertet, sondern auch das Verhalten des Konzerns, d.h. den Umgang mit dem Problem. Einen Fehler verzeiht man, aber keinen Betrug: eine gravierende Missachtung der Erwartungen an einen einigermaßen anständigen Kapitalismus.

Es ist modern geworden, die Wirtschaft ethisch zu durchleuchten und moralisch anzuweisen. Vieles davon ist leichtfertige Kommunikation, manches davon aber ein Indikator für unklare bis ungerechtfertigte Verhältnisse (Mehr dazu in meinem Buch: Moral als Indikator und Kontext von Ökonomie). Moral aber hat keine gesellschaftliche Instanz (nur im Meinen, in den Medien); jedes moralische Verlangen muss letztlich in rechtliche, organisatorische und  wirtschaftswirksame Handlungen übersetzt werden. Genau das geschieht jetzt: die Marktgesellschaft vertraut ihren eigenen moralischen Forderungen nicht mehr, sondern legt den rechtlichen Hebel um, um über Zahlungen kostenträchtige Anreize zu setzen, ein solches Verhalten zu vermeiden.

 

[1] Die Diesel-Lüge: Der SPIEGEL Nr. 20 /2016; S. 12 – 20.


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