Sind Roboter überhaupt bedeutsam? Haben wir es nicht mit weitaus größeren technologischen Räumen zu tun?

Das slawische Wort robota bedeutet Zwangsarbeit. Die lustigen Maschinchen, die uns heute als Roboter vorgeführt werden, scheinen eher stressfrei tätig zu sein. Ich beobachte bei Freunden den automatischen Rasenmäher, der brav seine Bahnen zieht, sich periodisch entleert und zum Ende an seinen Akku fährt. Man hat schiere Lust, ihm ein Bein zu stellen, aber er wendet und fährt um uns herum, stoisch & zufrieden mit sich. Es sind stille Diener, die in programmierter Gelassenheit ihre Arbeit verrichten. Sie empören sich nicht, leiden nicht und arbeiten unermüdlich (solange die Energiefrage geklärt ist). Sie erscheinen mir wie zen-buddhistisch meditierende Maschinen. Dass ihre Gedanken einzig in ihrem Programm zirkulieren, hält sie auf Distanz, sie sind kontaktscheu und auf Friedfertigkeit eingerichtet.

Friedlich waren aber auch schon die Waschmaschine, der Mikrowellenherd. Die Roboter hingegen bewegen sich. Es ist ja eher so, dass sie bald die Waschmaschine bzw. den Mikrowellenherd bedienen werden. Sich selbst bewegende Dinge – wie die Weberschiffchen bei Aristoteles: to automaton – macht sie tierähnlich, wie Hunde oder Katzen, nur dass sie menschliche Bedienungen verrichten. Wir sind es nicht gewohnt, dass Dinge um uns herumwuseln, sich im Raum bewegen, auskennen und operieren. Sie sind wie der Staubsauger ohne Mensch, aber in Aktion. Beide stören, wenn man sitzt und frühstückt. Nur dass der Roboter jetzt das Frühstück bringt. Wozu eigentlich? Das bischen Bewegung geben wir jetzt ganz auf?

Die Ontologie des Alltags wird sich ändern: die Welt der ruhigen Dinge wird in eine geisterhafte Halbwelt beweglicher Dinge verwandelt, mit denen wir ebenso sprechen werden wie mit den Menschen bisher. D.h. wir werden mehr kommunizieren als bisher. Aber vergessen wir den Roboter. Sie sind für die Industrie (und dort gar nicht nice machines, sondern starke, wuchtige, energetische Halbstarke), nebst ein wenig Haushaltsgeisterei. Die technologische Version hingegen, die uns mehr beschäftigen wird, ist von der Art der Mikrowelle, die sich das Essen selbst bestellt.  Die Bewegungen der Roboter – auch das Google’sche Elektroauto: ein echtes auto-mobile, wird ein Roboter sein, der uns bedienen soll – sind nur Teilfunktionen von vernetzten Systemen, die eingebunden sind in Leistungszusammenhänge, die über das Hin & Her-Fahren + Handreichungen weit hinausgehen. Die technologische Systemintelligenz bewegt sich im Netz, koppelt Dinge, Maschinen, Roboter und Daten. Die app, die wir im Smartphon bedienen, wenn wir etwas kaufen, löst bereits jetzt schon eine logistische Bewegung aus: wie ein Roboter. Unser Kaufverhalten löst Angebote aus, die aus der Tiefe des statistischen Raumes ermittelt werden – to automaton. Wege wie Gefühle werden berechnet, Partnerschaften eingefädelt, Blickrichtungen in Googlebrillen evozierten Datenströme, Häuser messen ihre Energieverbrauche, Lichteinlässe und Sicherheiten von selber etc. Die technische Welt, von der wir reden, ist die von Automaten und  Systemen, nicht von Robotern. Die Roboter sind kleine Zwischengelenke in Netzsystemen, die sensorisch alogorithmisch eingebunden sind in grösse Verhaltensmuster. Es sind nur Endgeräte mit Handhabungsfunktion, und zugleich Sensoren zur Rückmeldung von Situationen und Kontexten. So wie das Google-Auto im Netzsystem operieren wird, so die Haushaltsroboter im Versorgungsnetz des Hauses bzw. der Wohnungen.

Der Roboter ist das putzige technische Tier, das uns als uns ähnlich genug auffällt; deshalb reden wir überhaupt davon. Die Netzautomatismen fallen nicht nur nicht auf, sondern haben techno-kognitive Fähigkeiten, die wir nicht kennen noch erkennen: high speed, high connectivity, deep memory. An Dinge, die herumrennen und Handhabungen verrichten, können wir uns bald gewöhnen, wenn wir begreifen, dass wir kollisionsfrei miteinander ‚leben’ können. An Netzkopplungen, die verschiedene Dinge, Maschinen, Menschen, Sensoren, Daten koppeln, werden wir uns allein schon deshalb nicht gewöhnen können, weil wir nur die Ergebnisse erfahren, die Prozesse aber in Dimensionen ausserhalb unserer Wahrnehmung und Kognition laufen: eine invisible hand zweiter Ordnung. So wie wir auch nicht wirklich den Markt verstehen (invisible hand erster Ordnung).

Es ändern sich Lebenswelten. Aller geschichtlich gewohnte Umgang mit Dingen wird anders: alle diese Dinge sind Endungen von Netzanschlüssen – ausgebende wie sensorisch aufnehmende zugleich. Die Umgebung als ‚unsere Welt’ ändert sich, respondiert aktiv mit uns, nimmt aktiv wahr, was wir tun, tun wollen, nicht tun sollen. Die Umwelt wird ‚lebendig’. Die Dinge sind nicht mehr allein, sondern haben eine eigene ‚Gesellschaftlichkeit’: es entsteht ein techno-sozialer Vernetzungsnexus bzw. eine ‚Parallelgesellschaft’, die über verschiedene Schnittstellen mit uns gekoppelt ist. Es geht dann um wechselseitige Resonanz. Und wir stehen mit diesen Netzwelten nicht nur individuell in Kontakt, sondern über die communities, die wir in den Netzwelten längst ausbilden. Wir spiegeln unsere sozialen Netze in den virtuellen Netzen und es wird darauf ankommen, welche techno-soziale Intelligenz wir als Drittes zustande bringen. Da wird viel schief laufen, aber es werden auch viele neue soziale Arrangements herausspringen, an die wir uns ebenso schnell gewöhnen werden, wie wir uns an die Smartphone- und Tablet-Welten bereits gewöhnt haben (mit ihren apps und blogs und instragrams und facebooks etc.).

Was ändert sich wirklich? Viele Kommunikationen, die wir noch untereinander führen, führen wir bald mit den intelligenten Netzen, die uns in vielen Fällen behilflicher sein werden als mißverstehende oder unwillige Menschen. Die Handlungswelten werden klarer geordnet – ein eigner Modus von simplifying your world. Roboter bekommen künftig in diesen Komplexionen eine neue Rolle: sie sind materiale Avatare; sie simulieren menschenähnliche Funktionen an den Schnittstellen der algorithmisierten Netze. Dazu müssen sie natürlich noch ‚menschlicher’ werden: Haut, Mimik, Gestik. Sie werden die Ekoskelette der Netze: simulierte Menschlichkeit zur besseren Vermittlung und Netzakzeptanz. Ob das menschlich ist, bleibt eine müssige Frage. Entscheidend wird sein, ob Menschen damit leben werden (und wollen). Dann ist es menschlich.

Wozu das alles? Es ist nur die Fortführung des Aufklärungsprogramms, das wir in der politischen Ökonomie Adam Smiths von 1776 als ‚to better the comfort of life’ lesen. Ob die Automatensysteme den Menschen verdrängen, ist die falsche Frage. Der Mythos, die Maschinen erleichtern uns das Leben, indem sie uns von mühsamen Tätigkeiten freisetzen, stimmt für die Waschmaschine allemal (wenn man bedenkt, wie hart arbeitend die Frauen früher waschen und kochen mussten). Viele Technologien, die wir uns heute leisten, beschäftigen uns aber mehr als sie uns etwas erleichtern. Wir telephonieren wie die Weltmeister, aber letztlich wozu? Um zu telephonieren – eine neue soziale Krankheit der ununterbrochenen Kommunikation. Wir nutzen die cloud für Spiele (games), wir informieren uns ständig über irgendetwas etc. Doch werden wir von etwas ‚eigentlich Menschlichem’ abgelenkt? Entwickelt sich nicht gerade eine neue soziale Form des  Menschlichen, als grosser Mensch/Maschine-Interaktionismus, an den hyperproduktive Berichterstattungs-kommunikationen angeschlossen werden? So viel Kommunikation hatten wir geschichtlich noch nie. Ist sie leer? Nicht persönlich? Nicht nahe? Niemand verschwindet in die Maschine, aber der Kontaktraum vergrössert sich, mit hoher Oberflächenspannung. Die Automatensysteme erzeugen neue Dimensionen der Konnektivität, die darin wieder alle möglichen engeren Kontakte entstehen lassen können. Oder auch nicht. Aber sie erhöhen das Dispositiv des Menschlichen. Die mögliche wechselseitige Aufmerksamkeit, Begegnungsdichte und –varianz. Hier entsteht längst eine neue Kulturform, in der wir ‚das Menschliche’ neu formieren (die wir als neue net-anthropology einführen werden).

Die Roboter sind bald nur vielfältig vorkommende, aber marginale technische Artefakte in einer Netzumgebung, die uns einspinnt in das Rhizom neuer menschlicher Möglichkeiten und Imaginationen. Denn wir haben noch gar nicht die Dimensionen berührt, die uns effektiv einbauen werden ins Netz: die biotech oder medtech-Applikationen, die unsere Körper ‚aufstocken’ werden, die Organautomaten und Psycho-Implementate, bis hin zum cyber-tech, der uns in dreidimensionale Simulationswelten entführen wird, die die rudimentären Ansätze des second life erst voll entfalten werden. Was wir gerade sensorisch zu koppeln beginnen an Mensch/Maschine-Schnittstellen, werden wir auf längere Sicht direkt koppeln. Wenn wir bedenken, was heute bereits an Geldern für Schönheitschirurgien ausgegeben wird, weist uns auf den unmittelbaren Übergang zur technischen / psychotechnischen ‚Aufmöbelung’ unserer schwachen Körper und Intelligenzen. Was nicht nur einen grossen Markt hergibt, sondern vor allem eine Änderung unserer Identitätskultur: als Extension des Ich. Niemand muß das notwendig mitmachen, aber die Attraktion ist unabweisbar. Hören wir auf, diese Entwicklungen ‚kritisch’ zu sehen; beschäftigen wir uns lieber mit den kulturellen Evolutionen, die wir demnächst durchlaufen.

Wer will denn ernsthaft behaupten, dass der aktuelle Zustand des Menschlichen die letzte Stufe des evolutorischen Potentials ist?


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