Wackelt_die_Demokratie

Wackelt die Demokratie?

Alle sind auf Donald Trump fixiert, aber die Prozesse, in denen ein solcher Typus hochschwimmen konnte, dauern schon länger an. Richard Rorty, ein kürzlich verstorbener amerikanischer Philosoph, hatte schon vor längerem gewarnt, dass sich die Demokratie als eine geschichtlich vorübergehende Erscheinung erweisen könnte. Er war zudem der Meinung, dass die USA keine Demokratie mehr wären, sondern eine Reichenherrschaft (Oligarchie). Nicht nur, weil die Wallstreet eine ungeheuer starke Lobby sei, sondern weil fast nur noch Politiker (Kongress, Senat) gewählt werden können, die entweder selber große Vermögen haben (Trump) oder mit Hundertmillionenbeträgen von reichen Stiftern abhängig sind, die nach der Wahl in ihren Interessen bedient wissen wollen. Mit Trump steigert sich die oligarchische Tendenz, indem Milliardäre Minister werden. Es liegt dann in der Natur der Sache, dass sie ihre Claims und ihre Interessen nicht nur verteidigen, sondern gegebenenfalls den Staat ausnutzen für ihre Geschäfte.

Es sind vielleicht Anfängerfehler, wenn aus dem Stab des Präsidenten für die Produkte der Tochter Ivanka geworben wird. Und es mag doch Zufall sein, dass beim Immigrationsdekret nur jene moslemischen Länder ausgewählt sind, zu denen Trump keine Geschäftsverbindungen hat. Auf jeden Fall ist die Präsidentschaft, selbst wenn sie nur 4 Jahre dauern sollte oder sogar vorher durch ein Amtsenthebungsverfahren endet, ein großartiges Marketing für die späteren Geschäftsentwicklungen. Das ist sein größter Deal.

Ungleichheit als Achillesferse der Demokratie

Nun sind das alles aber auch nur Indikatoren für ein Phänomen, das tiefer geht: die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft. Trump wurde von den Bürgern gewählt, die sich von Wohlstand und Wachstum abgehängt sahen. In Bruttoeinkommen oder im Haushaltsvermögen nimmt auch in Europa die Ungleichheit zu. Die Ökonomie hat sich erst in letzter Zeit wieder mit Ungleichheitsfragen auseinandergesetzt (durch Piketty wurde das Thema allgemein publik). Aber es ist kein rein ökonomisches Thema, sondern die ‚Achillesferse der Demokratie’ (U. Sunde, FAZ Nr. 55/2017, S. 16). Der Populismus, der sich politisch weltweit aufschwingt, ist eine Reaktion auf die Stagnation bzw. den Niedergang der Wohlstandserwartungen, die der Kapitalismus bisher versprochen hatte. Da der Wohlstand und seine Versprechen mit der Demokratie und ihren Institutionen einherging, wird die Abweichung von den bisherigen ökonomischen Annehmlichkeiten ‚der Politik’ zugerechnet, die ‚als Demokratie’ nicht in der Lage sei, den Kapitalismus genügend zu regeln. Der Wunsch nach einer ‚starken Hand’ hat wenig mit Einsichten in die komplexen Gefüge von Wirtschaft, Globalisierung, Staat, Recht und demokratischer Form der Politik zu tun. Er beschädigt aber bereits die demokratische Institution, deren Verhandlungsgeschäft vielen für ineffizient vorkommt, wenn nicht bereits zu wirtschaftskonform (korrupt).

Wenn man einmal die Demokratie verliert, ist sie nicht rückholbar

Die Erosion der Demokratie ist eingeleitet, aber längst nicht vollzogen. Wenn Politiker auftauchen, die, wie Schulz, die ‚harte Hand’ simulieren, bleibt sie dennoch innerhalb des demokratischen Verfahrens. Und viele, die ‚die Demokratie’ als eine langweile Phase im Gemeinschaftskundeunterricht sogleich vergessen haben, weil ja sowieso ‚die Politiker’ die Politik machen und nicht die Bürger, sind jetzt sensibilisiert. Dass wir in Deutschland die besten geschichtlichen Erfahrungen haben, wie 1933 die Demokratie in kürzester Zeit demontiert wurde, reicht zu wissen nicht aus, um die demokratischen Rechte und Freiheiten zu verteidigen. Wenn sie einmal – wie es gerade der Türkei droht, – verschwunden sind, gibt es keine Demokratie mehr, um den Diktator wieder abzuwählen. Die Rückkehr braucht dann Revolutionen, d.h. aufwendigere Verfahren.

Die Demokratie ist die einzige Form der Politik, in der die Bürger selber herrschen, vorausgesetzt, sie sind sich dessen bewusst und entsprechend politisch aktiv. Eine solche Chance, die wir geschichtlich errungen haben, sollten wir nicht leichterdings aufgeben. Sonst hätten wir es nur wieder mit Herrschaft zu tun, darin wir als Untertanen, mit starker Ungleichheit. Aller Erfahrung nach sind Autokratien zudem wirtschaftlich schwächer. Es zahlt sich letzthin nicht aus.


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